EEG: Absahnen mit gutem Gewissen?

Justus Haucap

Die Ausgestaltung der Energiewende und die damit verbundenen Kosten werden wohl auch Thema des kommenden Bundestagswahlkampfes sein, wie die jüngste Bundestagsdebatte zum Netzausbau in der vergangenen Woche bereits erahnen ließ. In der Tat besteht dringender Handlungsbedarf, wenn die Energiewende nicht ein ähnliches Schicksal erleiden soll wie andere öffentliche Großprojekte (BER, S21, Elbphilharmonie, etc). Wenig deutet darauf hin, dass es die politischen Entscheidungsträger bei der Energiewende besser machen als bei den genannten Projekten.

Wo genau liegen die Probleme? Der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wird vor allem durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vorangetrieben. Diesem lag einmal die Philosophie zugrunde, den Anlagenbetreibern ihre Gestehungskosten für grünen Strom zu vergüten, zuzüglich einer auskömmlichen Rendite. Weil sich aber die Gestehungskosten sehr unterscheiden, hat sich ein System äußerst ausdifferenzierter Einspeisetarife entwickelt, die sich in ihrer Höhe danach unterscheiden,

  • (a) welche Technologie eingesetzt wird (Solar, Wind, Biomasse, etc.),
  • (b) wann die Anlage errichtet wurde (in welchem Jahr bzw. auch Monat)
  • (c) welche Menge eine Anlage (in kW) im Jahr erzeugt und
  • (d) welchen Standort eine Anlage besetzt (z. B. Solaranlagen auf Gebäuden oder Freiflächen).

Heute haben wir insgesamt nahezu 4 000 unterschiedliche Einspeisetarife. Der planwirtschaftliche Ansatz des EEG mit Vergütungsregeln, die bis zu 20 Jahre festgelegt sind, gepaart mit einer Abnahmepflicht für die Netzbetreiber bietet den Investoren damit eine hohe Sicherheit, sie tragen fast kein Risiko. Das Risiko wird auf Stromverbraucher und Steuerzahler abgewälzt.

Das EEG induziert gerade deswegen auch zahlreiche Ineffizienzen. Die starken Kostensteigerungen wurden zuletzt mit der massiven Erhöhung der Umlage von 3,592 auf 5,277 ct/kWh deutlich. Dies bedroht die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland und treibt die Verbraucherpreise für Strom in problematische Höhen. Zudem wird über die Hälfte der EEG-Umlage für die teuerste Form der Stromerzeugung verwendet, nämlich die Solarenergie, die jedoch noch immer nur 4,6 % der Stromerzeugung ausmacht.

Während die realisierbaren Gewinnspannen von Photovoltaik bis 2005 noch überschaubar waren, so dass es nur zu einem verhältnismäßig geringen Ausbau kam und vor allem Windenergie dominierte, haben beide Technologien seit 2005 eine erhebliche Kostendegression erfahren. Da aber die Einspeisetarife viel langsamer abgesenkt wurden als die Kosten gefallen sind, ist es zu einer erheblichen Ausweitung der Gewinnspannen gekommen und einem erheblichen Ausbau der Solarenergie. Die Folge der massiven Überförderung insbesondere der Photovoltaik war nicht nur ein rasantes Anwachsen der absoluten Fördersumme, sondern auch ein Anstieg der Förderung pro kWh Strom aus erneuerbaren Energien. Haben wir im Jahr 2000 8,5 ct/kwh und selbst 2005 noch 10,0 ct/kwh grünen Strom auf den Börsenpreis oben draufgelegt, waren es 2011 dann 17,9 ct/kwh. Die Subventionen sind also 2011 pro kwh grünem Strom mehr als doppelt so hoch wie noch 10 Jahre zuvor, weil eben die Solarenergie mit den höchsten Gewinnmargen gesegnet wurde, sodass sich der Anteil der sehr teuren Solarenergie drastisch erhöht hat.

Die Vorstellung, dass Politiker in Zukunft besser als bisher prognostizieren könnten, wie sich die Kosten für Solarpanels entwickeln werden, ist bestenfalls als naiv zu bezeichnen. Zudem profitieren verschiedene Bundesländer vom bisherigen Fördersystem, allen voran Bayern mit über 1,4 Mrd. Euro Nettotransfer für Solarstrom. NRW ist hingegen das größte Geberland im EEG-Finanzausgleich. Die Reformbereitschaft wird zwar gerade bei den Nehmerländern eher gering bleiben, jedoch entsteht zusätzlicher Reformdruck durch das jüngste Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, das die Befreiung für Industrieunternehmen erheblich begrenzt.

Die Strompreisbremse ist ein erster, wenn auch zu zaghafter und viel zu wenig ambitionierter Schritt in die Richtung, die Preisentwicklung zu dämpfen. Ohne eine echte Reform des EEG wird es jedoch bald düster aussehen sowohl für die deutsche Industrie und ihre Arbeitnehmer als auch für die Verbraucher. Ein Quotenmodell, bei dem auch die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien endlich in Wettbewerb zueinander treten müssen und mit dem in Schweden sehr gute Erfahrungen gemacht worden sind, wäre eine sinnvolle Alternative, in Deutschland zu einem effizienten, verfassungskonformen und europarechtskompatiblen Fördersystem zu kommen. Dass sich die Politik allerdings dazu entscheidet, entgegen aller Lobbyinteressen die Spielwiese mit über 4000 staatlichen Strompreisen aufzugeben und die Preisbildung auch bei grünem Strom dem Markt zu überlassen, ist wohl ebenso wahrscheinlich wie dass ein Tsunami die deutsche Küste trifft.

Eine detaillierte Erklärung des Quotenmodells findet sich hier.

Hier finden Sie die Vortragsfolien von Prof. Dr. Justus Haucap, die er am 06.03.2013 bei einer Tagung der Stiftung Marktwirtschaft in Brüssel zum Thema „Europäische Energiepolitik – Grundpfeiler der Wettbewerbsfähigkeit?“ vorgestellt hat.