Leistungsschutzrecht – nein danke!

Justus Haucap

Am 30. Januar wird der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages die lange erwartete Anhörung zum sogenannten Leistungsschutzrecht (LSR) für Presseverleger durchführen. Die Kernidee des LSR besteht darin, dass Suchmaschinen und andere News-Aggregatoren im Internet ein Entgelt an Presseverlage entrichten sollen, wenn diese sog. Snippets von Verlagen verwenden, also die allerersten Worte eines Verlagsbeitrags als Vorschau einblenden.

Ausgangspunkt der Forderung nach dem LSR ist die angespannte wirtschaftliche Lage einiger (aber nicht aller) Presseverlage, sodass die Verlage nach neuen Erlösquellen suchen. Was liegt da näher als zu versuchen, sich einen Teil der Gewinne von Google anzueignen? Aber ist dies marktwirtschaftlich auch sinnvoll?

Zu unterscheiden ist zunächst zwischen Urheber- und Leistungsschutzrecht. Durch das Urheberrecht werden Anreize zur Erstellung geistiger Werke geschaffen, indem Dritte von der Nutzung des geistigen Eigentums ausgeschlossen werden dürfen, sofern sie nicht ein gefordertes Entgelt entrichten. Das Urheberrecht gilt auch dann, wenn Werke entgeltfrei bereitgestellt werden (wie bei Online-Texten ohne Zugangsbeschränkung). Gäbe es keinerlei Urheberrecht, dürften produzierte Medieninhalte und Informationen von jedermann verwertet werden. Die Anreize für Urheber, Inhalte zu generieren, würden dann deutlich reduziert. Ein darüber hinausgehendes Leistungsschutzrecht der Werkvermittler kann ökonomisch gerechtfertigt sein, wenn das Urheberrecht allein keine hinreichenden Anreize zur Schaffung von Werken bietet, z.B. weil die wesentliche kreative Leistung darin besteht, verschiedene Leistungsteile zusammenzufügen, wie etwa bei Filmen.

Argumentiert wird jedoch, dass das LSR die Position der Verlage gegenüber Suchmaschinen stärken könnte. Bei dieser Vorstellung ist jedoch zu differenzieren. Ein LSR allein führt noch nicht automatisch zu Zahlungen von Google an Verlage. Dies wird eine Verhandlungsfrage zwischen Verlagen und lizenzpflichtigen Anbietern von Webdiensten sein. Anzumerken ist in diesem Kontext, dass Verlage schon heute sehr einfach verhindern können, dass Anbieter auf ihre Inhalte zurückgreifen, wenn sie dies nicht wünschen. Im Falle von Suchmaschinen besteht nämlich schon lange die Möglichkeit, sich als Verlag selbst aus den Listen ganz oder teilweise auszutragen. Während eine freiwillige Auslistung von Verlagen allerdings kaum zu beobachten ist, investieren viele Inhalte-Anbieter sogar extra in sogenanntes Suchmaschinen-Marketing, um so möglichst viel Verkehr anzuziehen, was eben wiederum die Aufmerksamkeit und Werbeerlöse positiv beeinflusst. Es ist also viel eher denkbar, dass Verlage eine Zahlungsbereitschaft entwickeln, um gelistet zu werden, als dass für diese Leistung an die Verlage gezahlt wird. Grund ist die hohe Attraktivität von Mehrwertdiensten im Internet auf der einen Seite und die intensive Konkurrenz unter den Verlagen und Inhalteanbietern auf der anderen Seite. Dies wird durch die Einführung eines LSR nicht tangiert, es wäre hier völlig wirkungslos.

Im Gegenteil könnte auch eine Situation entstehen, in der marktbeherr¬schende oder marktmächtige Anbieter, die als Gatekeeper fungieren, ein Entgelt von Verlagen für das Verlinken der Inhalte einfordern. Bei welchem Preis oberhalb von null eine solche Forderung als missbräuchlich nach §19 GWB zu klassifizieren wäre, ist heute völlig unklar. Ob jeder Preis, der größer als null ist, automatisch als missbräuchlich zu werten ist, kann heute nicht beantwortet werden.

Ob die einzelnen Presseverlage letzten Endes gegenüber einem Nachrichtenaggregator wie Google positive Preise für die Nutzung von Snippets durchsetzen können, ist fraglich. Wenn überhaupt, werden bilaterale Verhandlungen der einzelnen Verlage mit den Werkvermittlern jedoch vor allem zu Zahlungen an die großen Verlage führen. Kleinere Verleger könnten umgekehrt für die Indexierung bei Nachrichtenaggregatoren sogar bezahlen müssen. Sofern große Verlage Zahlungen erhalten sollten, während kleine Verlage leer ausgehen oder sogar für die Listung zahlen müssen, führt dies tendenziell zu einer Beschleunigung der Konzentrationsprozesse im Pressewesen und ist daher für die Medienvielfalt eher ab- als zuträglich.

Es ist auch nicht zu erwarten, dass das LSR die Anreize stärkt, in Qualitätsjournalismus zu investieren. Wenn überhaupt, dürfte eher das Gegenteil der Fall sein. Die Einführung eines Leistungsschutzrechtes wird (a) die Entwicklung von marktkonformen Lösungen tendenziell behindern und gerade deswegen auch (b) die Anreize zur Investition in qualitativ hochwertige Inhalte reduzieren, denn für solche steigen die Erstellungsanreize gerade dann, wenn es keine pauschale Vergütung gibt, sondern Marktpreise.

Durch die zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten würden zudem erhebliche Kosten anfallen. Selbst die Bundesregierung hat jüngst auf den erheblichen gerichtlichen Klärungsbedarf verwiesen.

So ist unklar, was ein Presseverleger im Internet ist und was dessen Online-Inhalte sind (wie z. B. sind Autoren-Blogs wie dieser zu behandeln?). Hier gibt es erhebliche Abgrenzungsprobleme. Zudem entsteht ein Problem, wenn sowohl der Inhaber des Urheberrechts an einem Text als auch der Inhaber des LSR die Verwendung eines Textes untersagen können. Damit wären Rechtsstreitigkeiten vorprogrammiert. Aufgrund der ungeklärten Begrifflichkeiten ist damit zu rechnen, dass in nicht unerheblichem Maße versucht wird, ein Geschäftsmodell basierend auf gerechtfertigten und vor allem aber ungerechtfertigten Abmahnungen zu entwickeln. Dies wiederum wirkt innovationshemmend gerade für kleine Start-ups.

Fazit: Die Einführung eines Leistungsschutzrechtes für Presseverlage ist aus marktwirtschaftlicher Sicht abzulehnen.